Über die Höllreise zum Drachensee & Coburger Hütte
On 24. August 2016 by JasminOder: Mein Trip durch die Hölle
So, ich dachte ich bräuchte mal wieder eine Auszeit. Einfach 1-2 Tage raus in die Berge, gehen bis es nicht mehr geht, Übernachten auf einer Hütte. Bei der Zeitschrift „Bergzeit“ wurde neulich der Bergsee Drachensee in den Mieminger Bergen vorgestellt und irgendwie hat alles geschrieen: ja, das ist genau das Richtige! Auf der Wanderkarte sah die Strecke auch ziemlich gut aus, zwei lange Geraden bergauf, nur knapp etwas über 9km, 1700 Höhenmetern. Das schaffe ich gut an einem Tag hin, am nächsten dann wieder zurück. Übernachtet wird direkt am Drachensee auf der Coburger Hütte. Wetter perfekt, Reservierung geklappt, los gings.
Spoiler: Wenn bei einer Wanderkarte irgendwo „…reise“ steht, heißt das nicht dass das eine nette Reise wird, sondern dass es 100% Geröllfeld ist. Ja… hab ich auch nicht gewusst, ich Flachlanddeutsche. Und Geröll ist wohl das besch…eidenste was man sich vorstellen kann zum Wandern. Auf der Hälfte des Weges zum Stöttltörl wollte ich eigentlich nur noch wieder nach Hause, am besten mit dem Hubschrauber. Denn den Weg zurück traute ich mich schon gar nicht. Hinaufklettern ist um einiges einfacher wie hinab, lasst euch das gesagt sein! Und der Weg zog sich ewig! Ich sah zwar auch ein paar Gämse, aber die Freude über die Wildziegen hielt sich ziemlich in Grenzen, da selbst die ständig kleine Steinlawinen loslösten und mich damit noch mehr verunsicherten im Gelände.
Nach knappen 4h (beim Wegeschild unten stand 2,5h… bitte wie genau schafft man das denn in der Zeit????) kam ich endlich am Stöttltörl an und hoffte nun hinab zu einfacheren Wegen blicken zu können. Hah, schön wär’s gewesen! Ich blickte in die buchstäbliche Hölle (ja, das heißt da wirklich so, schaut auf der Karte!): Geröll ohne Ende. Und mein Weg führte erstmal ein Stück wenigstens grob gelaufenen Weges hinab und dann scharf rechts wieder steil hinauf durch die „Höllreise„. Super.
Pausen waren sehr spärlich, besonders dann auf diesem Wegstück da die Bergriesen rechts und links neben mir immer wieder kleine Explosionen und folgende Steinlawinen hören liesen. Ramona erzählte mir später dass sie erfahren hat dass durch das zu heiße Wetter kleine Gletscherstücke schmolzen, den Fels teilweise sprengten und das ganze Gebiet seit 2005 recht instabil ist. Yay! Also eigentlich immer wenn ich mich gerade dazu durchgerungen hatte meine zitternden Beine kurz auszuruhen hörte ich irgendwo Steine sprengen und wollte einfach nur weiter bevor ich noch unter einem neuen Lawinenrutsch begraben wurde (kein Scherz!). Schönes oder viel zu sehen gibt es da oben übrigends auch nicht: die Aussicht ist zwar fein, aber der Mühe nicht wert und bis auf ein paar Schmetterlinge und wenige Kräuter lebt da auch nicht viel (außer der lebensmüden Gämse).
Endlich nach 6 h mit ca. 30 min gesamte Pause war ich dann auf der Grünsteinscharte. Und blickte… natürlich ins nächste Geröllfeld. Nur diesmal ging es bergab. Laut Karte eigentlich in einem schönen recht flachen Bogen Richtung Tajatörl, aber wegen Steinlawine gibst den Weg nicht mehr. Stattdessen ging es sehr unangenehm steil auf sehr losem Geröll auf der linken Seite bergab. Also gekennzeichnet war der Weg ganz toll, nur war da eben nicht wirklich ein Weg sondern man schlitterte von Wegmarkierung zu Wegmarkierung. Ich rammte häufig meinen Stecken in den Boden und lehnte mich mit vollem Gewicht darauf damit mein Fuß wenigstens einen Halt hatte und ich nicht einfach den gesamten Weg hinabfloss.
Ich war heilfroh, den Tränen sehr nahe und am Zittern als ich endlich auf einem richtigen Wanderweg (812/23) ankam. Da ich wusste dass der Weg zurück für mich persönlich nicht möglich war (wenigstens nicht ohne Verletzung oder schlimmeres) rief ich Ramona an und bat darum dass sie mich morgen doch bitte im Nachbartal abholen sollte. Tat mir natürlich volle leid, ist ein zacher Umweg da sie über den Fernpass fahren musste, aber ich dachte mir ist immer noch besser als die Schwester im Leichensack abzuholen, ne? Dann noch schnell den Geldbeutel herausgekramt und inbrünstig gehofft dass ich noch genug Geld für die Seilbahn morgen übrig haben würde (sonst hätte ich da dann runterheizen müssen).
Nach 10h Wanderzeit kam ich absolut erschöpft endlich bei der Coburger Hütte an. Ab da ging es auch endlich wieder „bergauf“: Die ist traumhaft, das Personal kompetent und freundlich, ich fühlte mich dort recht wohl. War meine erste alleinige richtige Hüttenübernachtung und ich glaube das kann ich wiederholen. Ich war in einem 8er Schlafraum mit 2 Doppelbett-Hochbetten, aber ich hatte ein Doppelbett allein für mich (wir waren zu 7). Das Abendessen war sehr lecker und deftig, den Nachtisch habe ich nicht mehr geschafft. Um 20 Uhr war ich schon im Bett und spätestens um 21 Uhr bin ich eingeschlafen. Meine Zimmerkollegen waren auch sehr rücksichtsvoll und waren extremst leise als sie dann auch ins Zimmer kamen und das wenige Schnarchen hat mich nicht wirklich vom Schlafen abgehalten.
Nach 10h Schlaf (wow!) war ich um 6 Uhr wieder wach. Ich las noch etwas im Bett und ging dann um 7 Uhr zum Frühstück. Danach war ich recht schnell wieder unterwegs, um 7:30 Uhr ging es los hinab zur Ehrwald Alm, wo auch die Bergstation der Ehrwald-Bergbahn ist.
Diesen Teil der Wanderung konnte ich dann endlich etwas genießen, denn das Wetter war weiterhin super schön, der Weg war ok (immernoch zuviel Geröll aber trotzdem immerhin richtige Wege!) und die Bergseen und Aussicht einfach phantastisch. Ich ging bedeutend gemütlicher und nahm mir auch Zeit für Fotos und Pausen. Um etwas nach 11 Uhr nahm ich dann die Bergbahn hinab (ist fein wenn man die Gondel für sich alleine hat ;-)) und wartete dann unten am Parkplatz an einem schönen schattigen Plätzen noch ein paar Stunden bis Ramona mich abholen kam.
Alles in allem kann ich sagen: Meine Wanderlust ist nicht gestorben, ich bin um viele Erfahrungen reicher und weiß noch genauer was ich mag und nicht mag bei Wanderungen. Und mittelschwere Wanderwege (rot) in Tirol kann alles umfassen von „nicht mehr ganz Rollstuhl-geeignet“ bis hin zu „nur für lebensmüde Extreme“. Und nun weiß ich auch: eine „Reise“ kann sehr „höllisch“ werden 😉
Daten und Fakten:
Tag 1: Obermieming – Stöttltörl – Grünsteinscharte – Coburger Hütte
- Maximalhöhe: 2262 m
- 9,6 km, 1676 Höhenmeter hinauf, 677 m hinab
- Gehzeit: 10 h
- Schrittzahl: 15902
Tag 2: Coburger Hütte – Seebensee – Ehrwald Alm
- Maximalhöhe: 1896 m
- 6,55 km, 78 Höhenmeter hinauf, 473 m hinab
- Gehzeit: 4 h
- Schrittzahl: 13504
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