1. Int. Säumertreffen am Schneeberg
On 10. September 2015 by JasminNun ist es schon vorbei. Drei Tage, 26.000 Meter und 1.600 Höhenmeter liegen hinter mir. Der regnerische Alltag im Büro hat mich wieder doch die Erinnerungen bleiben.
Ich rede von dem ersten internationalen Säumertreffen dass vom 10. bis 12. September auf dem Südtiroler Schneeberg abgehalten wurde. Und was genau ist säumen? Nun, der Begriff umschreibt die ersten Transporteure über die Alpen. Mit ihren Saumtieren (Esel, Mulis, Pferd oder Ochse) lieferten sie jahrhundertelang die Waren von Ort zu Ort. Heutzutage übernehmen die Lkws auf Schnellstraßen diese Aufgabe und das Säumen war fast vergessen. Doch seit einiger Zeit wird gerade unter Freizeitreitern das Wandern mit Packtieren wieder modern. Ohne den zeitlichen oder finanziellen Druck der Gütertrasporte kann man bei dieser Beschäftigung zusammen mit seinem vierbeinigen Partner Abenteuer und Freiheit erleben und genießen. Hier nun meine Erfahrungen von dem Säumertreffen:
Tag 1: Über das Kaindljoch zur Schneeberghütte
Der erste Tag begann schon sehr früh für mich: 4 Uhr morgens klingelte der Wecker und ich schleppte mich aus dem Bett. Ein stärkendes Frühstück, die letzten Dinge zusammensuchen und um 5:30 Uhr startete ich mit dem Auto Richtung Italien los. Zwar sollte meine Reisegruppe erst um 9 Uhr starten, aber das Lager musste erst noch gefunden und das Saumpferd beladen werden.
Wunderbar überpünktlich traf ich schon kurz nach 8 an dem angeschriebenem Hotel in Ridnaun bei Sterzing ein. Glücklicherweise konnte ich mich auch gleich an eine junge Säumerin anhängen die gerade auf dem Weg zu dem kleinen Lager etwas abseits der Straßen war. Dort lernte ich Organisator Hermann Vantsch mit seinem Muliwallach Seppl, Markus Wolff-Baron und Jasmin Zimmermann mit ihrer Tinkerstute Atlanta, der Mulistute Sunny und ihren beiden Hunden von saumpferd.de, wie auch Johanna und Markus mit ihren Vierbeinern aus der Innsbrucker Ecke und ein paar anderen kennen.
Doch leider war ich wohl im falschen Lager denn meine Reisebegeleitung Björn Rau von der Säumer- Akademie und sein Quarter-Wallach Jaczan waren nicht dabei. Aber erst eine halbe Stunde später wusste ich wo ich das 2. Lager finden konnte.
Also wieder zurück ins Auto und weiter ins Tal. Das war eigentlich ganz praktisch da ich mich damit noch einmal mit meinen Klamotten auseinander setzen konnte. Wollte ich wirklich neben meiner Thermo-Unterwäsche auch noch mit Skihose losmarschieren? Sollte der Wachsmantel mit Schafffell-Inlet auch mit oder war das heillos übertrieben? Die Webseite des Zielortes sagte zwar sehr frische 0-5° C voraus, aber als einzige in voller Wintermontur den Berg zu erklimmen ist auch irgendwie blöd. Noch dazu war das Zeug schwer und im Tal liefen die anderen bei knappen 20°C im T-Shirt herum. Also entschloss ich mich zwar meine warme Unterwäsche anzubehalten, aber die Skihose gegen eine Wanderhose und den Wachsmantel gegen eine dünne Regenjacke auszutauschen. Rollkragenpulli und T-Shirt hatte ich ja auch noch an, so schlimm würde es wohl nicht werden ?.
Im 2. Lager traf ich auch auf Björn, seine Frau, ihren Hund, den Quarterwallach Jaczan und ein frazösisches Päärchen mit 2 Mulis. Etwas später kam dann noch ein weiterer Säumer mit seiner 18-jährigen Haflingerstute dazu. Wir beluden die Pferde (naja, ehrlich gesagt stand ich meistens nur im Weg und sah zu ?) und warteten auf das Eintreffen der Gruppe vom ersten Lager um dann gemeinsam den Anstieg anzugehen.
Während dieser Zeit lief ich ziemlich oft zwischen Auto und Pferd hin und her: keine Wanderstöcke, beide Wanderstöcke, ein Wanderstock… Keine Jacke, nur eine Weste, nur eine Regenjacke, Regenjacke mit Weste, wieder nur Regenjacke… Gar nicht so einfach eine Entscheidung zu treffen wenn man in der Herbstzeit hoch hinauf will.
Genialer Weise (Achtung, Ironie!) hatte ich die Idee meine Regenjacke, das Essen und die Handschuhe in meinem Rucksack zu stecken, der dann zusammen mit anderem Gepäck in die Tragetaschen des Packsattels gesteckt wurde. Nun muss man wissen dass diese Taschen genau austariert werden und man deswegen nicht einfach zwischendrin etwas herausnehmen kann! Das hieß mein Wetterschutz und mein Essen waren mir erstmal bis auf weiteres verwehrt. Aber ich hatte ja gut gefrühstückt und noch schien die Sonne (naja, Frühstück um 4 Uhr und viele Wolken am Himmel, aber man versucht ja optimistisch zu sein ?).
So ca. gegen 10 Uhr war dann auch die 2. Gruppe vor Ort, man hat sich kurz bekannt gemacht und es ging los. Wie bei einer regulären Wandergruppe die sich nicht kennt wurde gleich bei der ersten Steigung schnell eine Rangordnung ausgetüftelt: die schnellen und ausdauernden gehen vorne, ganz hinten tingeln die „Kranken, Alten und Schwachen“ nach ?. Ich versuche immer recht weit vorne mitzugehen denn dort hat man öfters und längere Pausen wenn man auf die Nachzügler warten muss.
Und dann ging es Bergauf. Stundenlang. Wirklich nicht gelogen, die ersten 2-3h ging es stetig bergauf, immer weiter hinein ins Lazzacher Tal, das übrigens wirklich wunderschön ist! Durchgeschwitzt war ich schon nach der ersten halben Stunde, aber wenigstens agierte meine Skiunterwäsche ein wenig als Windbrecher ?. Ich durfte auch mal Jaczan führen, aber an sich war es auch ganz nett kein Pferd an der Hand zu halten, denn ich war mit meiner eigenen Kondition schon am kämpfen, mit einem Pferd an der Hand wird alles noch ein wenig anstrengender. Obwohl der Jaczan wirklich ein ganz lieber war.
Angekommen bei der Moarerbergalm hatten wir nun auch das Stück mit Forststraße hinter uns, nun gab es nur noch einen sehr schmalen Wanderweg. Nach kurzer Stärkung auf der Alm (und ich schaffte es wenigstens meine Regenjacke aus dem Rucksack zu ziehen, es war nun doch schon empfindlich kalt) ging es gleich weiter hinauf. Eine weidende Haflingerstute mit Fohlen bei Fuß war ziemlich anhänglich, doch ihr war der folgende Anstieg zum Pass dann doch zu steil .
Der Weg wurde steiniger und rauer, das Wetter kälter und windiger. Es begann sogar kurz an zu graupeln. Ich muss sagen ich war wirklich überrascht davon wie souverän die Pferde die wirklich schwierige Strecke bewältigt haben! Da hatte ich als Zweibeiner ja meine größten Schwierigkeiten und wäre ich allein auf einer meiner normalen Wanderungen gewesen, so hätte ich nach der Moarerbergalm aufgegeben. Natürlich war es wunderschön dort oben und ein einmaliges Erlebnis, aber ich wahr heilfroh dass ich dieses Abenteuer ohne Tign in Angriff genommen hatte! (Obwohl sie wohl die größte Gaudi gehabt hätte, nur ich wäre an einem Herzinfarkt gestorben ?).
Nach einer kleinen Ewigkeit (so kam es uns Zweibeinern auf jeden Fall vor, ich denke den Vierbeinern war es dann auch genug) hatten wir dann auch endlich das Kaindljoch auf 2.700m überwunden und begannen sofort unseren Abstieg zur Schneebergalm.
Die größte Gefahr (neben Absturz natürlich ?) war eigentlich Steinschlag bei den Serpentinen. Denn wenn ein Pferd oder Mensch ein Stein lostrat und dieser Bergab fiel konnte dies wirklich schmerzlich werden. Aber wir kamen tatsächlich alle gesund und (nicht mehr) munter auf der ebenen Fläche an.
Übrigens wurden wir bei der Passüberquerung auch von einem Kamerateam gefilmt! Ich weiß nur nicht wann, ob und wo dieses Filmmaterial mal veröffentlicht wird.
Nach 7,5h (anstelle der veranschlagten 6h) kamen wir dann bei der Schneebergalm an. Erstaunlicherweise waren wir dort die ersten, obwohl die zwei anderen Routen viel kürzer und einfacher waren (angegeben mit 2,5 bzw. 3h Gehzeit). Ich bezog mein Zweierzimmer und gönnte mir ein herzhaftes Abendessen in der Stube bevor der Abend ausklang.
Übersicht: Wanderung von Maiern (1.370m) über die 28A zur Moarerbergalm, weiter über den Kaindljoch (2.700m) hinab zur Schneeberghütte (2.355) – 11.2 km, 1.400 Höhenmeter, 7.5h Gehzeit
Tag 2: Kleiner Schwarzsee
Der zweite Tag begann mit eisigen Temperaturen, viel Nebel und angezuckerten Bergspitzen. Meine Zimmernachbarin (und ihre 3!!! Hunde) hatten nicht wirklich viel Kontakt, obwohl wir beide uns zumeist in den Betten einkuschelten um warm zu bleiben (die Thermounterwäsche wurde die 3 Tage nicht ausgezogen, egal wann ?).
Nach einem herzhaften Frühstück versammelte sich die Truppe am Anbindeplatz und der Tagesplan wurde besprochen: zuerst eine Wanderung mit Pferd hoch zu dem kleinen Schwarzsee, am Nachmittag eine Führung durch das Bergwerk und am Abend Grillen. Es gab auch noch irgendwann Vorträge aber ich muss gestehen dass ich versucht habe den Leuten so viel wie möglich aus dem Weg zu gehen. Ich bin zwar ein Fan vom Säumen und das war eine einmalige Gelegenheit Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen zu sammeln, aber meine introvertierte Art und die Ruppigkeit der meist stämmigen Bergmännern entpuppte sich als eine ziemlich große Hürde für mich. Die meiste Zeit verbrachte ich lesend im Bett unter so vielen Schichten wie möglich ?.
Nun gut, also die Wanderung zum kleinen Schwarzsee war auch bedeutend anstrengender als erwartet, weil ich plötzlich doch ein Pferd an der Hand hatte: einer der (wohlbeleibten) Säumer wollte nicht mit aber wollte dass sein Pferd bewegt wurde, also drückte er mir kurzerhand die Zügel der Haflingerstute in die Hand ?. An sich eine große Ehre (ich würde niemanden Tign einfach so übergeben) aber die Stute war jetzt nicht gerade feinfühlig oder gut erzogen, sodass das Erklimmen der Höhe zum See doch sehr umständlich wurde. Unter anderem trat mir die Dame mit ihrem Hufeisen auf meine Wanderhose und zerriss sie…
Nun gut, oben am See gab es eine kleine Pause mit viel Gerede untereinander (ich konnte mein Pferd kurz jemandem anderen in die Hand drücken und machte ein paar Fotos) bevor es wieder zurück zur Hütte ging.
Ach ja, natürlich gab es noch viele Dramen nebenbei: bei der Gruppe von der einfachen Anreise (also die 2h Tour von Passeier aus) stürzte ein Packtier ab (glücklicherweise ohne Verletzung, nur der Packsattel & Gepäck hatten was abbekommen), auf der Schneeberghütte gab es Fälle von der Höhenkrankheit und die reisten schnell wieder ab und schon am ersten Morgen gab es kaum noch Heu für die Tiere… Also ich war echt froh dass ich Tign nicht mitgenommen hatte ?.
Am Nachmittag gab es dann die recht interessante Führung über den Bergbau am Schneeberg und dann verkroch ich mich bis zum Grillen wieder im Bett.
Wanderung von der Schneeberghütte (2355m) zum kleinen Schwarzsee (2628m) und zurück – 2 km, 270 Höhenmeter, 3 h Gehzeit
Tag 3: Über das Kaindljoch zurück nach Maiern
Endlich wieder heim!!!
Nach 2 Tagen durchfrieren und Menschen-aus-dem-Weg-gehen war ich mehr als bereit zurück zu gehen. Diesmal trug ich mein Gepäck auch allein, da mein Packpferd einen anderen Weg ging als ich (und ich vom ersten Tag gelernt habe lieber alles wichtige bei mir zu behalten ?).
Der Rückweg auf dem gleichen Weg als der Hinweg verlief um einiges leichter als anders herum. Wir hatten zwar diesmal auch ein paar unerfahrene Alpisten dabei, aber dadurch dass es meistens bergab ging war es doch ziemlich einfach das Ganze.
Wir kamen auch noch rechtzeitig vor der heranziehenden Schlechtwetterfront wieder in Maiern an und ich verabschiedete mich von meinen Wanderkollegen bevor ich mich ins Auto schleppte und bei erster Gelegenheit die Heizung auf Vollgas stellte.
Wanderung zurück von der Schneeberghütte nach Maiern über das Kaindljoch – 11.2 km, 1.400 Höhenmeter, 6.5h Gehzeit
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wow, bin sprachlos, was für ein Abenteuer! Soviel Mut und Abenteuerlust, ich bewundere Dich! fantastische Foto’s von einer urwüchsigen tollen Gegend und von der Truppe. Ein sehr schönes Foto von Dir mit dem Hafi 🙂