Barfußschuhe und Winterwandern in den Alpen
On 10. Januar 2021 by JasminHier mal ein etwas kontroverses Thema: wandern mit Barfußschuhen im Winter!
Klar, im Sommer ist es wunderbar: man spürt den unebenen Untergrund unter den Zehen, stärkt die Fußmuskulatur, kann sich sehr gut ausbalancieren und hat dabei auch noch ein tolles Klima dank der meist sehr luftdurchlässigen Schuhe / Socken.
Im Winter sind manche dieser (Sommer-)Vorteile jedoch eher unpraktisch: die Kälte dringt extrem schnell durch, Nässe wird eh nicht abgehalten, Eis und Schnee verändert die Gummieigenschaften der Sohle soweit dass sie keinen Halt mehr bieten…
Ich persönlich bin zu den Barfußschuhen gekommen, weil ich durch eine beidseitige Leistenzerrung und Fersensporn nur noch unter Schmerzen gehen konnte. Durch den Ballengang und den dazugehörigen Barfußschuhen kann ich nun wieder tagelang durch die Berge streifen, mit ganz normalen Abnutzungserscheinungen (wem tun die Füße nach 2 Tagen Dauermarsch nicht irgendwo weh? ?). Und natürlich würde ich das auch ganzjährig durchziehen wollen. Aber leider bin ich für mich persönlich an so manche Grenzen gestoßen:
Temperaturen
Ab 10 Grad abwärts wird es schon recht kühl rein in den dünnen Latschen (ich benutze die Merrell Trail Glove im Sommer). Hier kann man erstmal natürlich mit entsprechenden (Woll-)Socken aushelfen und/oder wie ich auch schon auf das entsprechende Winter-Barfußschuh-Modell umsteigen.
Ich hatte mir im November 2019 die ZAQQ Quintic Winter Waterproof Schuhe geleistet, knöchelhoch und schön gefüttert mit Lammfell. Sehr bequem und warm! Leider ist die Sohle nicht das Wahre für mein Einsatzgebiet. Das Profil selber ist sehr flach und unausgeprägt (im Vergleich zu meinen Merrell mit Vibram-Sohle). Das geht dann noch gut in der Stadt oder Schotterwegen, auf Matsch oder Eis sind sie jedoch ziemlich rutschig.
Ab 0 Grad abwärts wird es selbst in diesen Schuhen empfindlich kühl an den Zehen, besonders bei Fotopausen oder Jausen.
Ab -10 Grad abwärts ist der Spaß dann endgültig vorbei und ich kämpfe mit Eiszehen, egal wie viel ich mich bewege. Und ja, mit solchen Temperaturen habe ich hier in Tirol schon mal zu kämpfen, wir hatten auch schon mal 2 Wochen lang -20 Grad! ?
Will ich bei solchen Temperaturen trotzdem raus, steige ich notgedrungen auf meine „Normalos“ Winterwanderschuhe um: Merrell Thermo Freeze Waterproof. Diese kann man jedoch nur auf kurze Strecken im Ballengang nutzen, zu sehr sind sie für den Fersengang konzipiert. Aber dafür sind sie echt wunderbar isoliert und haben einen super Gripp auf fast allen Untergründen (außer blankem Eis).
Eis und Schneemengen
Je nach Menge und Konsistenz von Schnee und Eis kommt man mit Barfußschuhen (oder auch normalen Wanderschuhen) nur noch begrenzt weiter ohne sich körperlich sehr zu verausgaben. Wer schon mal ein paar Kilometer durch kniehohen Schnee waten musste weiß wovon ich rede ??.
Hier ist dann wichtig dass die Schuhe tauglich für Grödel oder Schneeschuhe wären.
Einsatz mit Grödeln
Erstaunlich weit und lange kann ich mit einer Mischung aus den ZAQQ Quintic Winter Waterproof Schuhen und sogenannten Grödeln wandern. Grödel sind die „Hardcore“-Variante der bekannten Spikes für Schuhe, mit gut 1cm langen Stahlzacken:
Ich habe mir die Spike Crampon Grödel von MTN (50€) gekauft gehabt und bin von ihnen ziemlich begeistert. Sie sind sehr leicht an- und abzuziehen, schnell verstaut und einfach in Handhabung und Pflege.
Sie werden hauptsächlich bei Eisflächen oder bei angetautem und wieder gefrorenem Schnee (z.B. Bruchharsch, Griesel, Eislamellen oder Firn) benötigt, wenn die Sohlen einfach keinen Halt mehr findet und man mehr Schlittschuh läuft als wandert. Die Gefahr hier auszurutschen und sich zu verletzen ist sehr hoch, weswegen ich ein ziemlicher Fan davon bin, die Grödel auch schon bei wenigen Metern Eis einzusetzen. Gerade an etwas heiklen Stellen, wie schmalen Pfaden an Felswänden, Gratwegen oder einfach bei der Gefahr beim Ausrutschen abzustürzen, kommen die Dinger bei mir sofort zum Einsatz.
Für Barfußschuhe sind Grödel nur teilweise einsatzfähig. Sie benötigen eine gewisse Steifheit des Schuhs um sicher zu sitzen und gerade Barfußschuhe sind ja für ihre Flexibilität bekannt ?. Keine gute Kombi.
Meine Erfahrungen haben gezeigt dass sie trotzdem bei meinen knöchelhohen Barfußschuhen ZAQQ Quintic Winter Waterproof genügend Halt für einen akzeptablen (wenn auch nicht überragenden) Einsatz bekommen. Der Zehenteil rutscht zwar etwas und muss je nach Schnee- und Eislage alle paar Meter korrigiert werden (je nach Gefährlichkeit der Lage macht es wenig aus ob sie etwas schief sitzen, zum Beispiel auf einer Ebene), aber mit ihnen kann man selbst über Eisfelder spazieren wie über eine Wiese ??. Schon so manche Passage habe ich sicher mit ihnen meistern können, wo ich ohne sie umgedreht wäre.
Zweite Schwachstelle im Einsatz von Grödeln an Barfußschuhen sind Druckstellen. Die Grödel müssen natürlich ziemlich was leisten wenn sich die Zacken ins Eis schlagen und nun ein 60kg Mensch damit bewegen will. Bei normalen (steifen) Schuhen fällt dies gar nicht auf, bei Barfußschuhen kann es gerade im längeren Einsatz der Grödel zu Druck- oder Scheuerstellen kommen. Ist dann reine Abwägung was einem gerade wichtiger ist: Sicherheit oder Komfort ?.
Einsatz mit Schneeschuhen
Die „Königsdisziplin“ für Wanderer im Winter ist wohl das Schneeschuhwandern (wenn man keine Ski besitzt). Und auch ich freue mich auf die 1-2 Touren im Jahr auf diesen „Brettern“. Aber hier muss ich ganz klar sagen, dass Barfußschuhe und Schneeschuhe sich nicht kombinieren lassen.
Wenn Grödel schon eine gewisse Steifheit für einen optimalen Einsatz benötigen, so ist dies für Schneeschuhe um ein vielfaches Wichtiger. Die „nassen Nudeln“ unter der Schuhwelt kann leider nicht annähernd diesem Bedürfniss gerecht werden. Natürlich habe ich es trotzdem ausprobiert, aber schon wenige Meter können recht schmerzhaft werden wegen Druckstellen. Noch dazu hat man einfach keinen guten Gripp mit den Barfußschuhen in Schneeschuhen.
By-the-way, ich habe die Tubbs Flex Alp im Einsatz (Test siehe hier). Sehr erfolgreich würde ich sagen, ganz tolle Dinger!
Wenn ich weiß dass ich die Schneeschuhe einsetzen werde, nehme ich entweder meine normalen, steifen Winterwanderschuhe (Merrell Thermo Freeze Waterproof) mit oder starte gleich mit ihnen durch. Damit ist zwar klar dass ich schmerzensbedingt nicht soweit kommen werde wie mit Barfußschuhen, aber bei >50cm Schnee würde ich ohne die Schneeschuhe auch nicht viel heben ?.
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sehr informativ.!